Dienstag, 4. Mai 2010

Anatolien- Abenteuer Grenzgebiet???


Nach 3 erlebnisreichen Tagen verlassen wir bei strahlendem Sonnenschein Sanliurfa. Unser Karma hatten wir fleißig durch tägliches Füttern der heiligen Karpfen im Pool der Zitadelle aufgestockt, sodaß wir frohen Mutes grob in Richtung Iran aufbrechen. Die Fahrt verläuft durch steppenartige Landschaft. Immer wieder wandern Schafsherden mit Nomadenfamilien durch das Bild, kleine Weiler abwechselnd mit kleinen Flußläufen zeichnen eine Bilderbuchlandschaft. Unterbrochen wird dieses Idyll jedoch nun auch zunehmend durch Militärposten mit unzähligen Schießscharten und Panzern. Die Scharten sind nicht nur Zierde: Jede- aber auch wirklich jede – ist mit Maschinengewehren bewaffneten Soldaten besetzt.
Am Mittag erreichen wir Mardin und beschließen direkt nach Savur, einem kleinen Dorf mitten in den Bergen, weiterzufahren. Mitten im Nirgendwo hält plötzlich unser Mini-Bus an: Ein oberschenkelamputierter Kreis wird in einem antiquierten Rollstuhl samt Enkel aus dem Bus ausgeladen. Wir erkennen keine Pfad - geschweigeden eine Straße im Gelände. Der Knirps kann geradeso über die Lehne des Rollstuhl blinzeln, den er nun zielstrebig in Richtung Berg hinaufschiebt. Zutiefst gerührt fragen wir uns, ob der Rollstuhl Off Road gerecht ausgestattet ist.
Die Hühner im Bus gackern fleißig unter den Sitzen als die Fahrt weiter geht und wir beim Umdrehen sehen, daß die beiden tatsächlich die asphaltierte Straße verlassen haben und der Bub mit seinem gesamten Gewicht den Rollstuhl über Stock und Stein den Berg hinaufdrückt.
Nach 2 Stunden Fahrt, die nur noch einmal unterbrochen wurde da Kühe und Esel die Vorfahrt hatten, erreichen wir dieses uralte Dorf der 100 Falken. Wiedereinmal scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. In einem alten Herrenhaus gibt es die Möglichkeit zu übernachten- die einzige Unterkunft im Ort. Laut Reiseführer ein „ Boutique Hotel „ der besonderen Klasse. Schließlich soll es zu den 10 ausgefallensten Hotels der Türkei zählen. 10 Räume, ein jeder anders eingerichtet-oder besser: Seit mehr als hundert Jahren wurde die Einrichtung schlichtweg nicht verändert – offenbart einem ein Leben der damaligen Zeit. Die Familie in dessen Besitz das Anwesen ist, bereitet jedem Gast ein herzliches Willkommen und vorallem – die leckerste türkische Küche die wir seit Anfang unserer Reise kennengelernt haben. Das Abendessen begann mit einer süßsauren Kichererbsen Suppe, gefolgt von mehreren gleichzeitig servierten Hauptgerichten: Lammfleisch Ragout, ein Kartoffel-Tomaten-Hackfleisch-Auflauf, Ratatoille und am Feinsten ein Joghurt mit kurzgebratenen Baby Auberginen- Lecker!!
Am nächsten Morgen brechen wir auf nach Hasankeyf, einem kleinen Ort im Tigristal , das in den letzten Jahren traurige Berühmtheit erlangt hat. Leider initial nicht auf Grund der historischen Bedeutung der tausende von Jahren alten Ruinen und der Millionen an Höhlen: Ein Staudammprojekt wird dieses Kulturerbe bis 2016 komplett überfluten. Bis dorthin müssen über 200 Dörfer der Region umgesiedelt werden. Unzählige Kampangnien unterschiedlicher Interessengruppen haben die letzten Jahre verzweifelt und leider vergeblich gegen das Staudammprojekt protestiert. Kredite aus Deutschland , Österreich und der Schweiz wurden zwar letztenendes doch nicht gewährt, die Finanzierung wurde jedoch mittlerweile durch andere Resourcen gesichert- Traurig: Die Bewohner der Orte sind in keinsterweise über das Fortschreiten der Baumaßnahmen aufgeklärt. Wir wohnten im kleinen Hasankeyf Motel-dem einzigen Hotel vor Ort. Der Besitzer eine Seele an Mensch. In langen Gesprächen und unzähligen Chai Runden erzählte er uns voll Stolz, dass er sein Motel erst kürzlich hatte renovieren lassen. Schließlich sei der Staudamm nun ja keine Bedrohung mehr. Unsere Internetrecherche ergab leider andere Informationen.....
Die 2 Tage in Hasankeyf verbrachten wir mit 2 langen Wanderungen durch das Hinterland. Ein „ keine - Ahnung- wieviel- km- langer“ Canyon , in dem sich irgendwann die Felswände schier über unseren Köpfen zu berühren schienen und immer noch kein Ende in Sicht war, zwang uns irgendwann zur Umkehr. Im gegenüberliegenden Tal stieg man zunächst die alten Treppen der Ruinenanlage nach oben. Oben angekommen überblickt man kilometerweit das Tigristal. Über den Steilwänden kreisen Falken und in der im Tal liegenden Dorfmitte wartet auf der Turmspitze wie wohl seit hundert Jahren beschrieben das Storchenmännchen auf das Eintreffen seiner Frau im zuvor neu renovierten Storchennest.
Stundenlang kann man nun über die Hügel wandern, stolpert dabei immer wieder über Keramikreste einer vergangen Zeit, entdeckt die 101 millionste Höhle und stellt sich vor als Zeitreisender einen kurzen Blick zurück werfen zu können. Am Fuße des Kliffs leben vereinzelte Alte noch immer in den Höhlen und lassen die bisdato wenigen Touristen die die Holzleitern emporklettern in ihre „Häuser“ einblick nehmen.
Schweren Herzens fuhren wir weiter nach Van. Während der Fahrt klingelt das Handy unseres Busfahrers. Das Handy wird zu uns weitergereicht – es ist unser neu gewonnener Freund aus dem Hasankeyf Hotel: Ob alles ok ist- und der Fahrer auch ja sicher fährt- ob man nett zu uns ist und wir schon Tee bekommen hätten- und wenn es Schwierigkeiten gibt sollen wir ihm auf jeden Fall Beschweid geben- Ja?
Auf unserer Fahrt zählen wir in Folge 12 (!) Storchennester auf Strommasten, der Van See ist noch viel größer als wir ihn uns vorgestellt haben und schneller als uns lieb ist sind wir in der Stadt Van angekommen- unserer letzten Etappe vor dem Iran.
Van Stadt: Modern und westlich geprägt, meine Bedenken, ich müsste vielleicht hier schon Kopftuch Tragen vollkommen überflüssig - Anatolien ist anders als wir es uns vorgestellt haben!
Bunte Bazaare - herzlichste Gastfreundschaft- offene Menschen – alles einfach nur supersymphatisch!!! Wir sind total begeistert und werden sicher wieder kommen- zu viele Ecken fehlen auf unsere Karte, für die die Zeit diesesmal einfach zu kurz war.

1 Kommentar:

  1. "ein Joghurt mit kurzgebratenen Baby"
    ????
    Huch???

    erst beim zweiten drüber lesen, habe ich auch die Auberginen gesichtet ;-)

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